Normalarbeitsverträge als Stütze
Der Fall einer polnischen Arbeitnehmerin zeigt: Besonders bei Krippenmitarbeiterinnen oder Hausangestellten, die kaum organisiert sind und die sich am prekären wirtschaftlichen Rand bewegen, müssen die Arbeitsbedingungen klar definiert sein. Das richtige Instrument dafür ist der Normalarbeitsvertrag.
Vor kurzem war der Schreibende in der Situation, für eine 24-jährige Polin, die vor über einem Jahr von einem Schweizer Kinderhort direkt aus ihrem Heimatland angeworben worden war, vor Gericht aufzutreten. Der Kinderhort ist spezialisiert auf englischsprachige Familien mit Kindern in der Schweiz. Die junge Polin hatte keine Ahnung von den Arbeitsbedingungen in der Schweiz, entsprechend waren die Arbeitsbedingungen: Sie erhielt einen Monatslohn von 1500 Franken bar auf die Hand, einen Lohnausweis über die geleisteten Beträge erhielt sie während der ganzen Zeit nie. Die Arbeitszeit lag zwischen 7:30 und 18:00 Uhr. Pausen mussten am Arbeitsplatz verbracht werden. Kurze Abwesenheiten während des Tages wurden vom Ferienguthaben abgezogen. Ausserdem wurden Kost und Logis gewährt. Dieser Angestellten waren fast über ein Dreivierteljahr hinweg zwei Arbeitsstunden pro Tag nicht bezahlt worden. Das forderten wir nun unter anderem ein.
Regeln für Menschen
Zurzeit läuft in Zürich eine Debatte über Gesetze, welche bauliche und organisatorische Rahmenbedingungen von Krippen definieren. Angesichts dieser Regulierungsflut wirkt es grotesk, dass die Arbeitsbedingungen des Personals in diesen Krippen, in keiner Weise geregelt sind. Weder ein Gesamtarbeitsvertrag, noch ein Normalarbeitsvertrag regeln Löhne, Arbeitszeiten und Ferien.
Die Angestellten Schweiz sind nicht Anhänger von allzu strikter und exzessiver Regulierung. Doch dort, wo die Gefahr der Wettbewerbsverfälschung und der Unterbietung minimaler Standards besteht, braucht es Regeln. Gerade bei Arbeitnehmenden am prekären wirtschaftlichen Rand, die meist nicht in einem Verband organisiert sind, sind Strukturen unerlässlich. Dies ist der Fall bei Hausangestellten, HauspflegerInnen, Landwirtschaftspraktikanten oder ausländischen Krippenmitarbeiterinnen.
Normalarbeitsvertrag macht Sinn
Für solche Branchen existiert das Instrument des sogenannten Normalarbeitsvertrages. Er kann durch die kantonalen oder nationalen Behörden zum Schutz der Arbeitnehmer erlassen werden, wenn es mangels Verbänden keine Möglichkeit zum Abschluss eines Gesamtarbeitsvertrages gibt. Aus diesen Gründen wurde beispielsweise schon vor einigen Jahren ein Normalarbeitsvertrag zum Schutz der Hausangestellten im Kanton Zürich erlassen.
Da es schwierig sein dürfte, mittelfristig Kinderhortmitarbeitende in Verbänden zu organisieren, ist es höchste Zeit, dass in diesem Bereich über einen Normalarbeitsvertrag nachgedacht wird. Ein solcher könnte übrigens viele Rahmenbedingungen von Kinderhorten hinfällig machen, denn würdig behandelte und bezahlte Hortmitarbeiterinnen würden von sich aus einen guten Job machen.
Natürlich endete die Verhandlung auf dieser Stufe mit einem Vergleichsvorschlag, in dem meine Klientin schlechtere Karten als erwartet hatte. Die Beweislage wurde trotz entsprechender öffentlich einsehbarer Websites nur teilweise anerkannt. Der Vergleichsvorschlag deckte nur einen Teil ihres Anspruchs. Weil die Klägerin dringend Geld brauchte, willigten wir schliesslich in den schlechten Vergleich ein und verzichteten auf ein aufwändiges Beweisverfahren.
Christof Burkhard, Leiter Rechtsdienst Angestellte Schweiz