Wie kommt es zu einer Allgemeinverbindlicherklärung eines Gesamtarbeitsvertrags?
Ein Gesamtarbeitsvertrag (GAV) ist ein Vertrag zwischen Arbeitgebern oder Arbeitgeberverbänden und Arbeitnehmerverbänden zur Regelung der Arbeitsbedingungen und des Verhältnisses zwischen den GAV-Parteien. Ein GAV kann u. a. Bestimmungen über den Abschluss, den Inhalt und die Beendigung des Einzelarbeitsvertrages beinhalten – z.B. Mindestlöhne, Lohnfortzahlung bei Krankheit, Ferien, Arbeitszeitvorschriften, etc.
Der Geltungsbereich eines zwischen Verbänden geschlossenen GAV kann auf Verlangen aller Vertragsparteien durch behördliche Anordnung auf alle Arbeitgeber sowie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eines Wirtschaftzweiges oder eines Berufes ausgeweitet werden. Damit es auch tatsächlich zu einer Allgemeinverbindlicherklärung kommt, müssen aber strenge Voraussetzungen erfüllt werden. Beispielsweise muss grundsätzlich ein dreifaches Quorum erreicht werden: Am Gesamtarbeitsvertrag müssen mehr als die Hälfte aller Arbeitgeber (1. Quorum) und mehr als die Hälfte aller Arbeitnehmer (2. Quorum), auf die der Geltungsbereich des GAV ausgedehnt werden soll, beteiligt sein. Die beteiligten Arbeitgeber müssen überdies mehr als die Hälfte aller Arbeitnehmer beschäftigen (3. Quorum). Im Falle der Bekämpfung von Lohndumping gelten zwar geringere Quoren, dennoch führt wohl die Quroenregelung in vielen Fällen dazu, dass eine Allgemeinverbindlicherklärung scheitert.
Warum eine Allgemeinverbindlicherklärung sinnvoll ist
Durch die Allgemeinverbindlicherklärung werden keine neuen Rechtssätze aufgestellt, sondern der Staat verwendet private Abmachungen der Sozialpartner und erklärt sie auf dem Weg der Allgemeinverbindlicherklärung für einen ganzen Wirtschaftszweig oder Beruf für anwendbar. Der Vorteil dabei ist, dass die im GAV festgehaltenen Lösungen das Ergebnis von Verhandlungen gleich starker Partner sind und somit Gewähr bieten, in der betreffenden Branche als eine akzeptable Lösung anerkannt zu werden. Mit der Allgemeinverbindlicherklärung sollen in einem bestimmten Wirtschaftszweig einheitliche Arbeitsbedingungen erreicht werden. Zudem soll ausgeschlossen werden, dass ein Unternehmen durch schlechtere Arbeitsbedingungen einen Wettbewerbsvorteil erlangen kann.
Es gibt nur ganz wenige GAV, die durch Allgemeinverbindlicherklärung für die ganze Schweiz gelten. Einer davon ist der GAV Personalverleih, bei welchem die Angestellten Schweiz als Vertragspartei wesentlich mitgewirkt haben. Über 300 000 Menschen unterstehen diesem GAV. Damit ist er einer der grössten GAV in der Schweiz. Der GAV Personalverleih bietet sowohl soziale Sicherheit für die Mitarbeitenden als auch Flexibilität für Unternehmen. Sein Abschluss war für die Temporärbranche ein Meilenstein. Eine Allgemeinverbindlicherklärung wird auch für den GAV für die Schweizerische Bodenbelagsbranche angestrebt, bei dem die Angestellten Schweiz ebenfalls Sozialpartner sind.
Bei weiteren Fragen im Bereich Gesamtarbeitsverträge steht Ihnen der Rechtsdienst der Angestellten Schweiz gerne zur Verfügung.
Marilena Schioppetti, Rechtsanwältin Angestellte Schweiz